Zu TTIP 1.0
Die „Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft“ (TTIP) ist ein Handelsabkommen, das von der Europäischen Kommission im Auftrag der Mitgliedsländer seit 2013 mit den USA verhandelt wird. Noch vor der Wahl von Donald Trump zum US Präsidenten, haben mehrere Regierungschefs von EU-Mitgliedsländern einem Abschluss von TTIP auf der Basis des aktuellen Mandats eine Absage erteilt. Auch Christian Kern, der damals Bundeskanzler war hat das klar gemacht. Das war ein großer Erfolg des breiten Widerstands in Österreich bzw. EU-weit.
Aktuelle Entwicklungen
Seitdem die USA 2018 Zölle auf Importe von bestimmten Stahl- und Aluminiumprodukten aus der EU verhängt und weitere Zölle auf Autos und Autoteile angedroht hat, finden auf Initiative der EU-Kommission Beratungen im EU-Rat über die Neuauflage von Verhandlungen für ein Handelsabkommen mit den USA statt. Die EU-Kommission hat dabei klar ihr Ziel formuliert: TTIP soll in Schritten verwirklicht werden und wird somit zu TTIP 2.0.
Die EU-Kommission hat am 18. Jänner 2019 zwei Vorschläge für Verhandlungen über ein Zollabkommen im Bereich der Industriegüter und ein Abkommen über Konformitätsbewertung vorgelegt. Da das bisherige TTIP Mandat weiterhin aufrecht ist, können darauf mehr Verhandlungen folgen. Denn das TTIP Mandat hat eine umfangreiche Agenda (neben dem Abbau von Zöllen auch Investitionsschutz und Investitionsschiedsgerichte, Regulierungskooperation, Dienstleistungen, Auftragswesen). Insbesondere der Umfang des Verhandlungsmandats über ein Konformitätsbewertungsabkommen ist unklar: Es ist zwar nur ein kleiner Teil der weit größeren Agenda der Regulierungskooperation. Als beispielhafte Bereiche werden im Papier nur die Sektoren Maschinen, Elektro und Elektronik aufgezählt. Gleichzeitig werden aber keine Bereiche ausgeschlossen, auch nicht Risiko-Bereiche wie Chemikalien, Lebensmittel und gentechnisch veränderte Organismen.
Im April 2019 haben die EU-Regierungen (inkl. Österreich) mehrheitlich neue Handelsgespräche mit den USA beschlossen. Unter dem Vorwand, US-“Strafzölle” für europäische Autos und Flugzeuge abwenden zu wollen, wurden zwei Mandate für Verhandlungen abgesegnet – eines zur Abschaffung der Zölle auf Industriegüter und eines für mehr regulatorische Zusammenarbeit. Auch wenn derzeit offiziell Sonderklagerechte von Konzernen nicht verhandelt werden, bleiben die Gespräche eine Gefahr.
Die Gefahren von TTIP 2.0
USA – Ablehnung des Pariser Klimaabkommens
Das EU-Parlament hat in einer Resolution im letzten Jahr festgehalten, dass die EU nur Handelsabkommen mit Ländern abschließen soll, die dem Pariser Klimaschutzabkommen beigetreten sind. Auch der Rat der EU hat die große Bedeutung des Pariser Abkommens bei Handelsabkommen in seinen Schlussfolgerungen hervorgehoben. Die USA haben das Pariser Klimaschutzabkommen bekanntermaßen gekündigt.
Keine Vereinbarkeit mit österreichischem Regierungsprogramm
Die österreichische Bundesregierung hat sich in ihrem Regierungsübereinkommen (S.141) dazu verpflichtet, dass es bei zukünftigen Verhandlungen über Handelsabkommen einen transparenten und fairen Prozess auf europäischer und nationaler Ebene gibt, der sicherstellt, dass die Interessen der österreichischen Bürger gewahrt werden. Die Vorgänge auf europäischer Ebene sind trotz großer öffentlicher Proteste immer noch genauso intransparent wie bei den Verhandlungen zu TTIP 1.0. Die vorliegenden Mandate wurden zwar veröffentlicht, jedoch bleiben die Beratungen im Rat geheim.
Fehlende Wirkungsstudien
Wirkungsstudien hat die EU-Kommission für das geplante Zoll- und Konformitätsbewertungsabkommen nicht vorgelegt, sodass insbesondere die möglichen Auswirkungen des Konformitätsbewertungsabkommens kaum einschätzbar sind.
Kein Fokus auf ArbeiterInnenschutz
Für die Abkommen sind keine Bestimmungen über Arbeitsstandards vorgesehen. Die USA haben nur 2 der 8 ILO-Mindestarbeitsnormen ratifiziert. Darunter sind auch Konventionen, die elementare ArbeitnehmerInnenrechte sichern, wie etwa die Bildung von Gewerkschaften.
Unsere Forderungen
- Einrichtung eines offenen, kontinuierlichen Konsultationsprozesses vor und während der Verhandlungen
EU-Kommission und Mitgliedstaaten müssen vor der Entscheidung über ein Verhandlungsmandat einen offenen und transparenten Konsultationsprozess organisieren. Dieser Prozess muss die Parlamente in Europa, die Zivilgesellschaft und die interessierte Öffentlichkeit in die Mandatserstellung – von den Mandatsentwürfen bis hin zu geplanten Verhandlungsinhalten – einbinden. Dazu ist eine unabhängige Folgenabschätzung u. a. zu ökonomischen, sozialen und verteilungspolitischen, ökologischen und demokratische Fragen durchzuführen. Dies ist jedoch unterblieben. Dagegen behauptet die EU-Kommission, es gäbe keinerlei negative Folgen in dieser Hinsicht.
- Mandate müssen von Rat und EU-Parlament beschlossen werden
Die Mandate für Handelsabkommen sollten nicht nur vom Rat, sondern auch vom EU-Parlament diskutiert und beschlossen werden. Darüber hinaus müssen die Regierungen der Mitgliedstaaten verpflichtet sein, die Mandate mit den nationalen Parlamenten zu diskutieren und deren Zustimmung einzuholen. Bisher gab es im österreichischen Parlament keine Diskussion über den vorliegenden Mandatsentwurf. Die Position des EU-Parlaments – eine Resolution ist in Arbeit – muss ebenfalls berücksichtigt werden.
- Öffentlichkeit und Transparenz müssen gewährleistet werden
Das EU-Parlament, die Parlamente der Mitgliedstaaten und die Öffentlichkeit müssen auf alle Verhandlungsdokumente in vollem Umfang Zugriff haben. Das gilt auch für Mandatsentwürfe, Verhandlungsvorschläge und konsolidierte Texte. Die vorliegenden Mandate wurden zwar veröffentlicht, jedoch bleiben die Beratungen im Rat geheim. Die Unkultur der Geheimhaltung muss endlich beendet werden.
- Widerruf des alten TTIP Mandats
Sollte es tatsächlich die Absicht der Kommission und der Mitgliedstaaten sein, die alten Ziele im Hinblick auf ein umfassendes Handels- und Investitionsabkommen aufzugeben, so muss das Mandates aus dem Jahr 2013 widerrufen werden. Ein etwaiger Hinweis, dass die Erfüllung des TTIP-Mandats gegenwärtig nicht möglich ist, ist keine Annullierung und die Verhandlungsermächtigung für ein umfassendes Abkommen bleibt aufrecht bestehen.
- ArbeitnehmerInnen-, Menschenrechte und Umwelt müssen Vorrang in Handelsabkommen haben
Bei Handelsabkommen müssen ArbeitnehmerInnen- und Menschenrechte sowie Umwelt Vorrang vor Profitinteressen haben. Dazu müssen die einschlägigen internationalen Übereinkommen im Bereich Arbeit (ILO-Kernarbeitsnormen) und des Klima- und Umweltschutzes ratifiziert, umgesetzt und angewendet werden. Auch das Vorsorgeprinzip darf nicht in Frage gestellt werden. Verstöße gegen diese Bestimmungen muss Sanktionen in der Form von Strafzöllen oder Importverboten haben. Da im Falle die USA das Klimaschutzabkommen von Paris aufgekündigt und nicht alle ILO-Kernarbeitsnormen ratifiziert haben, darf keinesfalls ein Handelsmandat verabschiedet werden.
- Keinerlei Einschränkungen des politischen und regulativen Handlungsspielraumes
Abkommen der sogenannten neuen Generation schränken durch Bestimmungen zur regulatorischen Kooperation, zu Investitionsschutz und Investitionsschiedssystemen sowie durch unzureichende Ausnahmen im Hinblick auf wichtige Leistungen der Daseinsvorsorge den politischen und regulativen Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten massiv ein. Wichtige Regulierungen und Verbote zum Umwelt- und Gesundheitsschutz im Zusammenhang zum Beispiel mit dem Einsatz vonGentechnik oder Chemikalien und Pestiziden sehen wir bedroht. In fairen Handelsabkommen haben insbesondere auch Bestimmungen für eine regulatorische Kooperation – egal welcher Art – nichts verloren. Das betrifft auch die Verhandlungsrichtlinien zu den Konformitätsbewertungen, die sehr weit gefasst sind. Problematisch ist dabei das Ansinnen, dass private US-Organisationen Konformitätsbescheinigungen für US-Exportprodukte hinsichtlich der Erfüllung der EU-Standards machen sollen können. Dadurch und auch mangels einer Eingrenzung des Verhandlungsumfangs könnten wichtige europäische Standards zum Schutz der Gesundheit und Umwelt gefährdet werden.