Covid-19: Schutz der Menschen vor Profite der Pharmaindustrie!

Nach über 5 Millionen Covid-Toten sind Impfstoffe weiterhin zu knapp, zu teuer und weltweit ungerecht verteilt. Indien, Südafrika und über 100 andere Länder fordern seit über einem Jahr deswegen eine Aussetzung der geistigen Eigentumsrechte an der WTO (TRIPS-Waiver) um die eigene Produktion anzukurbeln und schneller, leistbaren Impfstoffe weltweit herstellen zu können. Dank des intensiven Drucks der Zivilgesellschaft haben schon manche Industrieländer wie die USA oder Australien ihre Position gegen den Waiver geändert. In Österreich hat sich Gesundheitsminister Mückstein für den Waiver ausgesprochen, Die zuständige Wirtschaftsministerin Schramböck hält weiter an ihrem Nein fest. Mit offenen Briefen und Protestaktionen haben wir vor der Minister*innenkonferenz der WTO vom 30.11.-3.12. in Genf den Druck erhöht. Danke des Ausbruchs einer neuen Corona-Mutation und verschiedener Einreisestopps in der EU, musste die WTO-Minister*innenkonferenz auf unbestimmt verschobenen werden. Die Forderung nach dem TRIPS-Waiver, der jederzeit beschlossen werden kann, ist deswegen jedoch umso wichtiger. 

 

Die Befürworter*innen auf EU Ebene

Die Liste von Expert*innen und hochrangigen ehemaligen Politiker*innen, die sich für den Waiver aussprechen ist lange. In Österreich haben sich in einem offenen Brief drei ehemalige Gesundheitsminisster*innen und Gesundheitsexpert*innen für den TRIPS Waiver ausgesprochen und die österreichische Regierung aufgefordert, sich dafür einzusetzen.

Der wachsende Druck der Zivilgesellschaft in der EU hat auch dazu geführt, dass das EU-Parlament auch am 25.11. eine weitere Resolution verabschiedet hat, in der die Mehrheit der Abgeordneten die Forderung nach dem TRIPS-Waiver unterstützt und die Verhandler*innen der EU auffordert, sich auf der Minister*innenkonferenz der WTO dafür einzusetzen.

Kurz vor der Minister*innekonferenz gibt es in manchen EU Ländern befürwortende Stimmen zum Waiver, in manchen Ländern haben sich Parlamente dafür ausgesprochen (beispielsweise in den Niederlanden, Spanien), auf Handels-Minister*innen-Ebene ist Spanien jedoch aktuell das einzige Land mit einer Pro-Waiver Position.

In Österreich hat sich Gesundheitsminister Mückstein für den Waiver ausgesprochen. Die Agenden der Welthandelsorganisation liegen allerdings im Aufgabenbereich von Wirtschaftsministerin Schramböck, die den Waiver weiterhin ablehnt.

 

EU: Blockaden und Ablenkungsmanöver

Trotz der Versprechen zu Beginn der Pandemie, Impfstoffe zu globalen Gütern zu deklarieren, blockiert die EU seit Beginn den TRIPS-Waiver. Auch Österreichs Handelsministerin Schramböck teilt die Haltung der EU gegen den TRIPS-Waiver.

Um den Schein zu wahren, hat die EU im Sommer diesen Jahres einen eigenen Gegenvorschlag an der WTO eingebracht. Dieser geht jedoch kaum über die schon bestehenden Möglichkeiten hinaus. Dass diese zu hohe Hürden darstellen, ist mittlerweile weitestgehend bekannt, denn die aktuell existierenden Optionen können von Ländern im globalen Süden auch in Zeiten einer Pandemie nicht ausreichend genutzt werden.

Auch der seit kurzem auf WTO Ebene zirkulierende Gegenvorschlag, der sogenannte “Walker-Vorschlag” kann nichts anderes als ein Ablenkungsmanöver sein. Auch hier haben wir Stellung bezogen und die österreichische Regierung in einem Brief aufgefordert, den TRIPS-Waiver ernst zu nehmen und keine Prozesse zu unterstützen, die nur das Ziel haben die Forderungen nach dem TRIPS-Waiver ruhig zu stellen.

 

Schramböck: Pharma in Tirol halten, TRIPS Waiver blockieren

Als im vergangenen Jahr der Pharmastandort in Tirol bedroht war und Novartis drohte die Penicillin Produktion nach Asien abzuwandern ist Wirtschaftsministerin Schramböck eingeschritten. Mit 50 Millionen Euro. Öffentliches Interesse an lokaler Produktion und Kontrolle über so lebenswichtige Produkte ist auf jeden Fall sinnvoll.

Der TRIPS-Waiver würde genau das den Ländern im globalen Süden auch ermöglichen: mit der Freigabe von Patenten und Wissensaustausch könnten viele weitere Staaten selbst Impfstoffe und Medikamente produzieren, die Preise und Verteilung selbst gestalten und somit ihre Abhängigkeit von großen Konzernen und Ländern im globalen Norden reduzieren.

 

Hintergrund zur Position der EU und Österreichs: 

Mit dieser Vorgehensweise wird die klassische Arbeitsweise der Pharmaproduktion fortgesetzt. Die Herstellung von Medikamenten und Impfstoffen ist in den meisten Fällen nur durch jahrzehntelange, öffentlich finanzierte Grundlagenforschung möglich. Öffentliche Universitäten haben die Technologie entwickelt, die in den Impfstoffen von BionTech/Pfizer und Moderna steckt. Damit ist sie zu fast 100 % durch öffentliche Gelder finanziert. Pharmakonzerne können diese Grundlagen durch das internationale Patentrecht privatisieren und die Impfstoffe eigenständig produzieren und verkaufen. Das funktioniert, weil das internationale TRIPS-Abkommen Patente für 20 Jahre absichert. Damit werden Impfstoffe zu privaten Handelsgütern.

Anstatt jedoch für diese gewaltigen Investitionen auch Gegenleistungen wie freie Lizenzen oder Beteiligungen zu fordern, fördern die EU-Länder die Strategie der Pharmakonzerne. Kurz trifft sich hinter verschlossenen Türen mit „seinen” Konzernen und versucht ihnen lukrative Aufträge zuzuschachern. Die Länder steigen in einen gegenseitigen Wettbewerb um Impfstoffe ein. So wird die Idee der europäischen „Impfstoff-Solidarität” ad absurdum geführt.

Recht auf Gesundheit

Die Aussetzung der Patentrechte ist natürlich nicht genug. Zusätzlich braucht es finanzielle und technologische Unterstützung für die Errichtung kleinerer Produktionsstätten in Ländern des Globalen Südens. So können lokale Produzent*innen Impfstoffe und Medikamente vor Ort kostengünstig – und für die Patient*innen leistbar – herstellen. Das Know-How dafür ist vorhanden. Was fehlt, ist der Wille zur internationalen Zusammenarbeit.

Das Patentrechte für eine funktionierende Weltwirtschaft essentiell sind, ist einer von vielen Mythen der neoliberalen Wirtschaftsordnung. Wie tödlich diese Erzählung ist, zeigt die derzeitige Situation. Langfristig sollten lebensnotwendige Medikamente als globale Gemeingüter der Menschheit definiert und geschützt werden. Dafür braucht es eine demokratische Überarbeitung der Patentrechte in der WTO und eine an grundsätzlichen Bedürfnissen orientierte Handelspolitik. Dementsprechend muss die staatliche Grundlagenforschung auf nationaler Ebene von öffentlicher Hand gestaltet werden.

Unterstützen wir gemeinsam die Europäische Bürger*innen-Initiative für ein Recht auf Behandlung!